Loslassen – es klingt so einfach, und doch kann es eine der schwersten Herausforderungen im Leben sein. Ob es nun um eine Beziehung, eine Freundschaft, einen Job, eine alte Gewohnheit oder ein Lebensziel geht: Loszulassen löst oft Widerstände in uns aus. Dabei liegt das Problem nicht unbedingt im Loslassen selbst, sondern viel mehr darin, dass du vielleicht gar nicht verstehst, warum du überhaupt so festhältst.
Eine Frage, die ich als psychologische Beraterin oft stelle, lautet: „An was hältst du eigentlich noch fest?“ Genau diese Frage kann dir helfen, den Blick vom „Loslassen“ wegzulenken und dich auf das eigentliche Thema zu konzentrieren: das Festhalten. Denn wenn du verstehst, was du festhältst, kannst du klarer erkennen, ob und warum es Zeit ist, diesen Griff zu lockern.
Festhalten als Überlebensreflex
Festhalten ist ein natürlicher Überlebensreflex. Einer der ersten Reflexe, der nach der Geburt getestet wird, ist der Greifreflex. Und es gibt Situationen, da würde Loslassen uns unser Leben kosten.
Aber was ist das jetzt mit dem Festhalten? Schon als Kinder lernen wir, an Dingen festzuhalten, die uns Sicherheit geben. Sei es eine vertraute Person, ein Kuscheltier oder ein vertrauter Ort – wir klammern uns an das Bekannte, weil es uns Schutz und Stabilität vermittelt. Dieses Muster bleibt in uns verankert und wirkt oft ein Leben lang. Wir wollen festhalten, was wir kennen, was uns Trost und Geborgenheit schenkt, auch wenn es uns inzwischen vielleicht gar nicht mehr guttut.
Dieses Muster kann jedoch im Weg stehen, wenn es darum geht, weiterzukommen. Ein Teil von dir spürt vielleicht, dass du loslassen musst, um neue Wege zu gehen. Doch ein anderer Teil in dir hat Angst, die Sicherheit zu verlieren. Das Festhalten ist also wie ein Anker, der dich daran hindert, in die Freiheit zu gehen.
Sich mit dem Gedanken beschäftigen: „Was halte ich wirklich fest?“
Anstatt dich darauf zu konzentrieren, endlich „loszulassen“, ist es oft viel hilfreicher, dir die Frage zu stellen: „Was halte ich eigentlich noch fest? Und warum?“ Vielleicht hältst du an einer alten Beziehung fest, weil sie dir einst das Gefühl von Liebe gegeben hat, und du hast Angst, dass du diese Liebe nie wieder finden wirst. Vielleicht klammerst du dich an eine bestimmte Vorstellung deines Lebens, weil sie dir Sicherheit gibt. Oder du hängst an alten Gewohnheiten, weil sie dir das Gefühl von Stabilität und Kontrolle vermitteln.
Diese Frage führt dich oft zu tiefen Überzeugungen und Ängsten, die hinter dem Festhalten stehen. Was dir wirklich weiterhelfen kann, ist die Bereitschaft, diese Ängste anzuschauen. Manchmal ist das, was du festhältst, nur ein Gedanke, eine alte Überzeugung, die dir nicht mehr dient. Der Schlüssel ist, diesen Gedanken klar zu benennen und dich zu fragen, ob er dir wirklich noch hilfreich ist.
Was entsteht, wenn du loslässt?
Wenn du dir bewusst gemacht hast, was du festhältst, kannst du dich einer zweiten Frage zuwenden: „Was könnte an die freigewordene Stelle treten?“ Loslassen ist kein Verlust, sondern ein Schritt in Richtung Freiheit und Möglichkeiten. Genau wie beim Ausmisten eines Kleiderschranks entsteht Raum, den du mit Neuem füllen kannst. Ein Schrank voller alter Kleidung, die du nicht mehr trägst, raubt dir Platz und Freiheit. Aber wenn du dich von diesen Stücken trennst, schaffst du Platz für das, was dich jetzt wirklich erfreut und zu dir passt.
Das Gleiche gilt im Leben: Wenn du dich von alten Gewohnheiten, ungesunden Beziehungen oder veralteten Vorstellungen löst, entsteht Raum für neue Erfahrungen und Wachstum. Loslassen bedeutet, dich bewusst für etwas anderes zu entscheiden, das besser zu dir passt und dich auf deinem Weg unterstützt.
Was will an die freigewordene Stelle treten?
Stell dir vor, dass in deinem Leben ein Platz frei wird, wenn du etwas loslässt. Dieser Platz wartet darauf, mit etwas gefüllt zu werden, das dir jetzt, in deiner aktuellen Lebensphase, entspricht. Wenn du dich dieser Frage ehrlich stellst, öffnest du dich für neue Möglichkeiten und gewinnst die Freiheit, bewusste Entscheidungen zu treffen. Vielleicht darf an die Stelle einer alten Beziehung mehr Selbstliebe treten, die dich stärkt und dir zeigt, dass du auch allein glücklich sein kannst. Oder vielleicht entsteht Raum für neue Freundschaften, für Kreativität oder neue Interessen, die deine Persönlichkeit bereichern.
Loslassen und Platz schaffen für das Leben, das du wirklich willst
Loslassen bedeutet letztlich, Raum zu schaffen – für dich selbst, für neue Erfahrungen, für das Leben, das du wirklich willst. Wenn du die Dinge, die dir nicht mehr guttun, loslässt, lädst du die Möglichkeit ein, etwas Neues und Wertvolles zu entdecken. Anstatt dich auf den Verlust zu konzentrieren, kannst du dich auf die Freiheit und die Möglichkeiten fokussieren, die entstehen.
Durch das Loslassen gewinnst du die Freiheit zurück, dein Leben aktiv in die Hand zu nehmen, anstatt an Altem festzuhalten, das dich zurückhält. Nimm dein Leben an die Hand und frage dich: Was kann an die Stelle dessen treten, was du loslässt? Welche Freiheit und Leichtigkeit darf entstehen, wenn du das Festhalten lockerst?
Fazit: Nimm den Druck raus und erlaube dir, schrittweise loszulassen
Das Schöne am Loslassen ist, dass es kein endgültiger Schritt sein muss. Es ist in Ordnung, den Prozess in kleinen Schritten zu gehen und dir Zeit zu lassen. Erlaube dir, das Festhalten zu hinterfragen, das Alte zu würdigen und loszulassen, was dich nicht mehr erfüllt. Je mehr du den Zwang loslässt, unbedingt loslassen zu müssen, desto leichter wird es, das Alte in Dankbarkeit loszulassen und Raum für das Neue zu schaffen.
Alles Liebe, deine Mélanie.
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